Khala Kolumna #4
Back to Normality
05.1.2018
Dünner Regen tröpfelte aus einem grauen Himmel auf die weihnachtlich dekorierte Stadt. Mit Lametta umhangene Schaufenster, Menschen in dicken Winterjacken und festlich beleuchtete Restaurants zogen an mir vorbei. Im Radio trieben sie es auf die Spitze und spielten Phil Collins „Another Day in Paradise“. Ich hatte dieses Lied nie gemocht. Die Stimme meines Bruders, der das Auto lenkte, drang durch das Gewühl meiner Gedanken: „Was machst’n du, schläfst du?“ [ecae_button]
Am Vorabend war ich aus Malawi zurückgekommen und bewegte mich nun wieder auf europäischem Boden. Ich war zurück in der „Normalität“. Meine Heimatstadt hatte sich in den letzten Monaten nicht großartig verändert, doch nahm ich sie jetzt anders wahr. Zuviel war in der Zwischenzeit passiert.
Der Aufbau eines Unternehmens in Malawi ist ein steiniger Weg.
Wie aus Steinen im Weg Gebirge werden
Zweieinhalb Monate war ich in Malawi gewesen, hatte dort mit Mel die Schneiderei aufgebaut, zum Laufen gebracht und für die Arbeit der kommenden Monate vorbereitet. Es war zehrend gewesen. Vieles von dem, was wir uns vorgenommen hatten, hatten wir erreicht, vieles andere nicht mehr geschafft. In einem der ärmsten Länder der Welt ein Business aufzubauen, ist kein einfaches Vorhaben.
Arm bedeutet, nach eurozentrischem Verständnis, wirtschaftlich wenig entwickelt zu sein. Darin liegt eine der größten Herausforderungen für Khala: zum Wirtschaften in Malawi fehlt es oftmals bereits an den Grundlagen. Dinge, die in Deutschland im Handumdrehen erledigt sind, wachsen in Malawi zu Mammutaufgaben heran. Für Besorgungen, die man in Deutschland an jeder Straßenecke erledigen kann, muss man in Malawi stundenlang die Stadt durchforsten oder das Gesuchte Wochen vorher aus dem Ausland bestellen. Die sehr lückenhafte Infrastruktur erschwert vieles. Dazu kommt eine oftmals andere Arbeitskultur, die selbst Behördengänge und Termine bei Institutionen bisweilen zu grotesken Schauspielen werden lässt. Nachdem ich mir etwa von zwei verschiedenen Anwälten die Machbarkeit des Vorhabens versichern lassen hatte, nahm ich die Eröffnung eines Bankkontos für Khala in Angriff. Es dauerte über eine Woche und verlangte mir die Odyssee durch die Büros der Filialleiter*innen verschiedener malawischer Banken in Verbindung mit hartnäckigem Hinterher-Telefonieren und dem Ausfüllen unzähliger Formulare ab, bis ich schließlich die relevante Information erhielt:
„Since you don’t have a residency in Malawi, opening an account will be very difficult.“ „Difficult or impossible?“
Zögern.
„Impossible.“
Rückschläge gehören dazu. Mel und ich tauschten uns mit vielen Unternehmerinnen und Unternehmern über die Schwierigkeiten des Geschäftslebens in Malawi aus. Dass es einem manchmal vorkäme, als würde man bei der Unternehmensgründung gezielt Steine in den Weg gelegt bekommen, vertrauten wir uns dem deutschen Manager einer Lodge am Malawisee an. Er riss die Augen auf. „Steine?“, schüttelte er energisch den Kopf, „Gebirge!“
Baut man in Deutschland ein Unternehmen auf, profitiert man vom Reichtum und der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Staates. In Malawi ist die Mission von Khala aber zunächst, bei der Schaffung wirtschaftlicher Entwicklung mitzuwirken. Insofern war es zwar frustrierend, aber kaum überraschend, wenn wir hilflos mitansehen mussten, wie aus dem steinigen Weg, der vor uns lag, immer wieder neue Gebirgsmassive entwuchsen.